Von Caspar Harlan und Kerstin Wittstamm nach dem gleichnamigen Roman von Claudia Schreiber
Die Schweinbäuerin Emma erzählt ihre anrührende Geschichte. Krimi, Drama, Liebesgeschichte. Drastisch-derb − und saukomisch. Eine Geschichte über das Sterben, sie handelt aber eigentlich von der unbändigen Lust auf Leben. Und ist dabei vor allem ein Beleg für die unbändige Lust am Theater. Wer die Verfilmung kennt, wird sich mit Sicherheit an die verstörend schöne Eröffnungsszene erinnern: Emma liegt mit einem ihrer Schweine verträumt unter dem großen Baum im Hof, krault dem massigen Tier zärtlich Bauch und Rücken - um ihm dann mit einem einzigen schnellen Schnitt die Kehle durchzuschneiden. Schlachttag bei Emma: kein Gezerre, kein Gequieke, keine Todesangst. Gestorben wird trotzdem, schließlich bewirtschaftet Emma einen Bauernhof und muss von den Erträgen leben. Emma ist einsam, aber sie hat sich mit einem beinahe trotzigen Pragmatismus darin eingerichtet.
Es muss noch jemand sterben in dieser Geschichte: Autoverkäufer Max hat vom Arzt erfahren, dass er nur noch kurze Zeit zu leben hat. In einer Kurzschlussreaktion klaut er das Geld seines einzigen Freundes, bucht einen Flug und will nur noch weit weg. Auf der Flucht mit einem ebenfalls geklauten Ferrari fliegt er aus der Kurve - und landet schwerverletzt auf Emmas Hof. Damit ist die Grundkonstellation dieser „skurrilen, herzzerreissenden und ganz und gar unkitschigen Liebesgeschichte“ (TZ, München) geschaffen. Emma fehlt die Liebe, aber mit dem Sterben kennt sie sich aus. So beginnt für sie und den todkranken Max eine kurze, sehr kurze Phase gemeinsamen Glücks.
Der Film 'Emmas Glück' erzählt die Geschichte anders als der Roman, der Vorlage für dieses von Caspar Harlan und Kerstin Wittstamm verfassten Ein-Personen-Stück ist. Und doch ist das Theaterstück, schon allein durch die neue Perspektive, wieder ganz anders als das Buch. Die gesamte Handlung wird ganz und gar subjektiv aus Emmas Sicht erzählt: der Zuschauer erlebt diese Geschichte wie Emma sie erlebt - in ihrer Erinnerung oder als dramatisch geschilderte Momentaufnahme.
Was kann der todkranke Max tun, um seine Krankheit zu akzeptieren? Seine heillose Flucht ist kläglich gescheitert, aber zu seinem und Emmas Glück ist er hier gelandet: bei einer Frau, die die Liebe ersehnt und sich mit dem Tod auskennt. Auch Max kann endlich lieben und muss in Emmas Armen den Tod nicht mehr fürchten.
Ein Rührstück? Nicht die Bohne! Das verhindern die Hauptfigur, eine gefühlvolle aber alles andere als sentimentale Emma und die lebendige, ganz offenkundig seelenverwandte Schauspielerin - sowie Regisseur Caspar Harlan, dem alle falschen Töne fremd sind: „Gefühl ja, aber bloss kein Pathos bei diesem Thema.“
Als Kerstin Wittstamm zunächst zaghaft, bei der Autorin um die Rechte nachfragte, fand sie zu ihrem Erstaunen alle Türen offen. Claudia Schreiber empfindet offenbar großes Vergnügen daran, dass ihre 'Emma' in der künstlerischen Auseinandersetzung (Buch, Film, Hörspiel) immer neue Facetten bekommt und nun, in diesem Ein-Frauen-Stück, eine sehr persönliche, fast intime Stimme erhält. Aus dem ersten Anruf ist ein späteres Kennenlernen, nun eine Freundschaft geworden. Beide arbeiten aktuell an einer Dramatisierung von Claudia Schreibers Roman „Goldregenrausch“
Claudia: „Kerstin, du spielst mit derselben Wucht, mit der Emma gelebt hätte, wäre sie auf der Welt gewesen. Großartig. Es ist wirklich möglich, das so als Ein-Frau Theater zu realisieren.“
Emmas Glück hatte Premiere am 13. Mai 2012 in Klein Witzeetze, Unter den Kastanien. Die Bilder von Jochen Quast sind bei einer Aufführung beim Dorfgemeinschaftshaus Kapern im Sommer 2018 entstanden.